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Historisches Pressearchiv

Fliegen und Luftsegeln
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Fliegen und Luftsegeln
Fliegen und Luftsegeln
Die Taufe von fünf Segelflugzeugen auf dem Marktplatz / Große Anteilnahme der Bevölkerung
Weimars altehrwürdiger Marktplatz sah gestern um die Mittagsstunde ein nicht alltägliches Schauspiel. Bunte Wimpel flatterten über fünf im Halbkreis aufgestellten, mit frischem Grün und Blumen geschmückten Segelflugzeugen, deren Taufe zur Einleitung der Luftfahrt-Werbewoche vollzogen werden sollte. Der Wettergott hatte zunächst noch trübe und drohende Wolken, aber bald war auch die Sonne bei unseren Weimarer Fliegern, schob die regnerischen Wolken beiseite und verschönte die Tauffeierlichkeiten mit freudigen Blicken. Die Weimaerer nahmen an der Weihefeier regsten Anteil, auch die ländliche Bevölkerung war stattlich vertreten.
Die Ortsgruppe Weimar des Bundes Deutscher Flieger hatte sich die würdige Ausgestaltung der Taufe angelegen sein lassen. Nach dem von der Reichswehrkapelle gespielten Niederländischen Dankgebet war der Flieger Vollandt in zündenden Worten für den Luftfahrtgedanken. Der rührige Vorsitzende der Weimarer Flieger, Ingenieur Brühl, begrüßte die Versammelten, darunter Vertreter der Stadt Weimar, der Wehrmacht und der Ladespolizei, und wies auf die Bedeutung der Werbewoche hin. Sammeln und Werben sei uns eine dringende Not, da es Deutschland durch das Versailler Friedensdiktat verboten sein, Flugzeuge zu bauen. In der Pflege es Flugsports finden sich alle Kreise ohne Ansehen des Standes und der Partei zusammen, die zum weiteren Aus- und Aufbau der Luftfahrt beitragen wollen. Als erster der Taufpaten erinnerte Oberbürgermeister Dr. Mueller daran, daß der Name Weimar in den Fliegerkreisen einen guten Klang habe. Bereists Jahre vor Kriegsausbruch besaß es einen Flughafen und während der Nationalversammlung war es einer der ersten Haltepunkte im Luftverkehr. Aber bis zum heutigen Tage ist es dort oben am Lindenberg auf den "Neunzig Äckern" lebendig geblieben. Jungflieger waren am Werk, opferten Freizeit und Taschengeld für den Bau von Segelflugzeugen. Hierauf taufte das Stadtoberhaupt das größte und schönste der Segelflugzeuge auf den Namen
"Weimar"
mit dem Wunsche, daß es diesen Namen stolz und kühn in die Lüfte tragen möge.
Das Segelflugzeug "Weimar", geschmückt mit Namen und Wappen der Stadt, ist in anderthalbjähriger Arbeit von den Jungfliegern Bruno Preller und Otto Patenge erbaut worden und deren Eigentum. Bei seiner Größe wiegt es nur 253 Pfund; es stellt eine vorbildliche und bewundernswerte Leistung dar, die seinen Erbauern und Weimar Ehre macht. Die anderen Segelflugzeuge sind zum Teil schon erprobt. Landwirt Wiesenthal aus Ottstedt a. B. taufte das zweite:
"Die alte Kanone"
In diesem Namen soll der alte Soldatengeist, der heute in den Bestrebungen der Jungflieger weiterlebt, festgehalten sein. Als dritter Taufpate gab Oberstudiendirektor Dr. Voigt dem
"Adler"
die Weihe. Der "Adler" soll uns als Werk von Schülern der Deutschen Aufbauschule Weimar aus unserer zerrissenen Zeit in lichtere Höhen führen, eine Mahnung zur Freiheit. - Mit Recht trägt dann eines der Segelflugzeuge den Namen
"Vogelsberg",
denn am Vogelsberg, nahe bei Ottstedt, haben die Weimarer Jungflieger ihre Heimat. Landwirt Müller schilderte, wie sich nach geschichtlicher Überlieferung früher dort Vogelfänger festgesetzt hätten. Nach dem Kriege wäre der Vogelsberg das Ziel vieler Wandervögel gewesen und jetzt fänden allherbstlich die Jungflieger hier das Gelände. Ein dem Landwirt Müller gehörendes Weinberghäuschen im Gelände schenkte er den Jungfliegern als "Heim".
Als letzter Taufpate sprach Lehrer Walter aus Ottstedt für das Segelflugzeug
"Ettersberg".
Bei unseren Jungfliegern ist an Stelle aller schönen Worte die Tat getreten. Stolz erfüllt uns, wenn wir der Leistungen unserer Flieger gedenken. Aber für uns Jungflieger ist die Hauptsache, daß der Schüler von Anfang an allein in der Kiste sitzt, allein fliegt und steuern muß und dadurch zur höchsten Willensanspannung, zu kühnerem Mut und schnellster Entschlußkraft erzogen wird. Solche Jünglinge und Männer brauchen wir in Deutschland, damit es wieder vorwärts und aufwärts geht und das stolze Wort Wahrheit bleibt: "Deutschland in der Luft voran!"
Das Deutschlandlied klang über den Markt. Der Taufakt war beendet. Unter Leitung von Musikmeister Jolln folgte ein Marktkonzert, das ganz vorzügliche Leistungen unserer Reichswehrkapelle bot und zahlreiche und beifällige Zuhörer hatte. Aber auch die Segelflugzeuge wurden bestaunt und in ihrer sauberen Arbeit bewundert. Gar die kleinen Jungens konnten sich nicht sattsehen. Sie werden in den nächsten Tagen sicherlich mit eigenen Versuchen beginnen.
Gegen 2 Uhr erfolgte der Abtransport nach dem Flugplatz, wo am Nachmittag noch geflogen wurde. Auch das Segelflugzeug "Weimar" startete einige mal. Die Menschenmassen umlagerten die Flugzeuge so dicht, daß man mit dem Start bis zum späteren Nachmittag warten mußte.
In die Geschichte Weimars aber ist mit der Weihe der fünf Segelflugzeuge ein Ehrentag eingetragen, der besagt: "Das Versailler Diktat hat uns die Flügel nicht gänzlich zu brechen vermocht" und "Nun erst recht!" Glück ab, ihr Weimarer Jungflieger!
Quelle: Weimarische Zeitung (historisch) vom 26.05.1930 | Autor/in: E.176 Mal gelesen seit 20.11.2023