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Auf dem Flugplatze in Weimar
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Auf dem Flugplatze in Weimar
Auf dem Flugplatze in Weimar
e. Aus Weimar wird uns vom 8. Juni geschrieben: Mit den Fliegern habe ich immer Pech. Entweder sind sie mir schon davon geflogen, wenn ich auf die "Neunzig Äcker" komme, oder es wird nicht geflogen. Zur Eröffnung des hiesigen Flugplatzes waren große Vorbereitungen getroffen: Vier Ein- und Zweidecker sollten auf dem Flugplatze kreuzen. Da ich hörte, daß die Flieger, darunter auch eine Dame, jeden Morgen bald nach Sonnenaufgang ihre Fahrzeuge herausholen und der aufsteigenden Sonne entgegenfliegen, so eilte ich heute morgen schon bald nach 4 Uhr zum Flugplatze. Aber bald wurde mit mitgeteilt: "Heute früh wird nicht geflogen." Um wenigstens etwas von meinem Morgenspaziergang zu haben, bog ich ins Webicht ab, um hier dem Freikonzert von Amsel, Drossel Fink und Star zu lauschen, und wirklich, es lohnte sich der Mühe, diesem so wenig von Menschen besuchten Konzert beizuwohnen. Auf dem Nachhausewege überlegte ich mir, wie ich am besten die Flieger am heutigen Nachmittag beobachten könne. Denn, wo selbst der Altenburger Herzog kommt, muß doch geflogen werden, dachte ich. Ich ging zu Kiepenhauer und löste eine Tribünenkarte für 5 Mark. Durch Wagen, Automobile und Menschenmengen, vorbei an Rostbratwurstständen, Kuchen- und Bierbuden bahnte ich mir einen Weg. Dreimal wurde meine Karte einer Prüfung unterzogen, damit ich ja den richtigen Platz erhalte. Auf der 5 Mark-Tribüne klopften und hämmerten noch geschäftig die Zimmerleute, und auch sonst sah man Leute noch emsig mit dem Dekorieren beschäftigt. Wie überall, war man auch hier nicht fertig. Trotzdem wollte ich mich auf einer Bank der Tribüne niederlassen. Doch fingerdicker Staub und Hobelspäne mußten erst von ihr entfernt werden. Als ich mich dann behaglich auf meinen nummerierten Platz setzen wollte, gewahrte ich auf dem Rücken der vor mir sitzenden Dame in hellem Kleide die Tribünennummer abgedruckt, natürlich in "Spiegelschrift". Erschreckt drehte ich mich um und untersuchte mit der Hand die Rückenlehne meines Sitzes; doch die Strafe meiner Neugier blieb nicht aus: Ein schwarzes Etwas haftete meiner Hand an. Es wäre doch wohl richtiger gewesen, wenn der L. B. W. einige große Schilder "Frisch gestrichen" vor der Tribüne angebracht hätte. Einer entsetzt zurückweichenden Dame bot ich galant meinen Platz mit den Worten an: "Bitte schön, ich habe den Platz schon reingesessen", und entfernte mich, um zu Erfahren was die drei Piloten da oben auf der Plattform des Verwaltungsgebäudes für eine wichtige Beratung hätten. Sollte vielleicht wieder nicht geflogen werden? Beim Überlandflug ging es ja bekanntlich schon ebenso. Aber nein! Die Photographen nahmen ja eiligen Schrittes Aufstellung vor den Fliegerhallen. Alles recht die Hälse in der Erwartung der ersten Flugmaschine. Die Weiherede ist längst verklungen, der Rundgang der hohen Herrschaften beendet, und immer noch ist kein Flugapparat in Sicht. Da höre ich, wie mein Nachbar einer Dame zuraunt: "Geflogen wird nicht, aber wenn sie etwas von den Fliegern sehn wollen, so zeige ich Ihnen die Pilotin; sie sitzt im Verwaltungsgebäude und ist so in einen Roman vertieft, daß sie das Fliegen ganz vergessen hat." Noch wenige bange, erwartungsvolle Minuten, dann verkündet der Festredner mit der roten Armbinde mit weit über den Platz hinausschallender Stimme; "Geflogen wird heute nicht!" Aber tröstend setzt er hinzu: "Das Geld wird bei Kiepenhauer zurückgezahlt". Wenn ich auch wieder einmal Pech mit den Fliegern hatte, etwas habe ich mir durch mein Stundenlanges Warten bei dem windigen Wetter doch geholt - nämlich einen gehörigen Schnupfen!
Quelle: Erfurter Allgemeiner Anzeiger (historisch) vom 10.06.1911 | Autor/in: E.201 Mal gelesen seit 20.11.2023