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Historisches Pressearchiv

Ein Bombenerfolg des Flugtages unserer Luftwaffe
Der Verein Flugplatz-Nohra e.V. macht zu Zwecken der Wissenschaft, Forschung und Lehre historische Zeitungsartikel zugänglich. Der Verein Flugplatz-Nohra e.V. distanziert sich ausdrücklich von allen rassistischen, antisemitischen und weiteren diskriminierenden Inhalten sowie von gewaltverherrlichenden und propagandistischen Darstellungen.
Ein Bombenerfolg des Flugtages unserer Luftwaffe
Ein Bombenerfolg des Flugtages unserer Luftwaffe
Massenbesuch in Weimar-Nohra - Rund 500 Fluggäste - über 2000 Mark für das Winterhilfswerk "erbrummt" - Tollkühne Kunstflüge - Die "Thüringer Gauzeitung" interviewt den Leiter der Flieger-Ausbildungsabteilung Dresden
Dem Flugtag der Fliegerhorstkommandantur Weimar-Nohra zu Gunsten des Winterhilfswerkes war gestern ein voller Erfolg beschieden. Der Besucherandrang aus Weimar und seiner näheren Umgebung nahm derartige Ausmaße an, daß die Kasse vorzeitig geschlossen werden mußte, da die zahlreichen Verkehrsmaschinen der Luftwaffe trotz Verstärkung bis zum Einbruch der Dunkelheit die nicht endenwollende Zahl der Flugwilligen nicht bewältigen bzw. aufnehmen können.


Sonne und Propellergebrumm am Himmel. Maschinen der Reichsluftwaffe kurven über der Gau- und Landeshauptstadt. Hell flimmern Flügel und Rumpf im Sonnenschein. Weimars Einwohnerschaft fliegt aus; diesmal im wortwörtlichen Sinne.
Schon am frühen Morgen setzt der Menschenzustrom nach Nohra ein. In den Mittags- und Nachmittagsstunden säumt ein ununterbrochenes schwarzes Band die Erfurter Straße. Zwischen unzähligen Kraftwagen und Motorrädern pendeln Radfahrer. Neben regelmäßigem Omnibusverkehr wird auch der "Fliegende" Berkaer auf der Kleinbahnstrecke Weimar-Nohra eingesetzt.
Weimars Einwohnerschaft besucht zum ersten Male seine Fliegerrekruten. Wer möchte fehlen! Sollte man aber je der Ansicht gewesen sein, daß die Begeisterungsfähigkeit der Weimarer sich mit der Meterzahl der Entfernung schmälert - siehe Weimar-Nohra - so trat der gestrige Sonntag einen gründlichen Gegenbeweis an. Einen solchen Massenbesuch hat Nohras Flugplatz noch nicht erlebt.
"Feuertaufe" der Musikkapelle
Am Rande des Rollfeldes drängt sich eine riesige Menschenmenge. Fliegerrekruten sperren ab. Nach beiden Seiten grenzen schmucke Reihen zwei- und mehrsitziger Schul- und Verkehrsmaschinen an. Es ist ein stolzer Anblick. In der Mitte des Rollfeldes starten und landen die großen Verkehrsmaschinen unserer Luftwaffe in ununterbrochener Kettenfolge. Der Ansturm der Fluggäste nimmt überaus erfreuliche Ausmaße an. Keiner der Nohra-Besucher will sich die Gelegenheit entgehen lassen, eimal Weimar aus der Vogelschau zu sehen und gleichzeitig dem Winterhilfswerk einen Betrag beizusteuern. Die Organisation klappt trotz des Riesenandrangs vorzüglich. Unsere Flieger sind auf dem Posten. Auch das technische Personal arbeitet unermüdlich. Schnell ist hier und da an den Maschinen ein Handgriff zu erledigen oder es muß rasch getankt werden. Von der Flughalle her schallt schneidige Marschmusik. Die Musikkapelle der Flakabteilung Rudolstadt spielt afu und erntet stürmischen Beifall. Sie besteht - wie man uns mitteilt - damit ihre "Feuertaufe". Auch für leibliche Stärkung ist Vorsorge getroffen. Fliegen und Sehen macht Hunger. So finden nicht zuletzt die Rostbratwürste, Kaffee- und Bierstände ihr Publikum.
Inzwischen sind auch die Kunstflieger des Tages eingetroffen; der in Weimar bestens bekannte Pilot Lochner, Leiter der Ausbildungsabteilung in Dresden, Hauptfluglehrer Graf von Hagenburg und Fluglehrer Wendel-Erfurt. Lochner war früher längere Zeit in Nohra tätig. Wie begrüßen ihn als guten Bekannten. Lachend stellt er sich mit seinen Kameraden der Kamera, und frohgelaunt plaudert er mit uns. - "Ich muß mal nach oben, um mir die Füße zu wärmen!" kündigt er an und zieht dabei ruckartig den Gurt für für den Fallschirm fest. "Der Wanst ist gepumpt" (das bezieht sich auf die winterlich-dicke Körperumhüllung) ergänzt er scherzhaft. "Sie meinen, daß es da oben wärmer ist?" "Das kann leicht möglich sein. Ich bin schon des öfteren von der kalten Erde weg in wärmere Regionen geflüchtet." - "Greift der schneidende Luftzug nicht die Gesichtshaut sehr an?" - "Das ist lediglich Gewohnheit Unsere jungen Fliegerrekruten müssen sich in dieser Hinsicht freilich erst einrichten. Und vor allem Rasieren nach dem Flug durchaus unerlaubt!" "Was gedenken sie uns heute vorzufliegen?" "Ach, alles . . .! Mal sehn . . ." "Bestimmt werden Sie uns doch mit prächtigen Loopings überraschen." Lochner lacht erneut über das das ganze Gesicht. "Das ist nun gerade die leichteste Flugfigur." "haben Sie irgend eine Luftspezialität?" "Doch - den niedrigen Rückenflug, doppelten Looping nach vorn, die Rolle aus der Normal- zur Rückenlage und wieder zurück oder auch die Rolle aus der Rückenlage wieder in die Rückenlage . . ."
Lochner plaudert über diese Luftspezialitäten frischfröhlich einher, als handele es sich um die selbstverständlichsten Dinge der Welt. Wie dürften jedoch bald Gelegenheit haben, uns eines anderen belehren zu lassen.
"Dort oben dreht Graf von Hagenburg auf" unterbricht Lochner unseren Gedanken"flug". In der Tat - prächtig! Als Graf v. Hagenburg am anderen Ende des Flugplatzes die saubere Flugfigur beendet hat, fragen wir Lochner noch rasch vor seinem Start, ob er denn gern wieder nach Weimar zurückkommen würde, Er nickt uns kurz zu und ergänzt "Das wird nur dienstlich nicht mehr möglich sein!"
Lochner startet mit dem "Stieglitz"
Der Lautsprecher meldet: "Achtung! Achtung! Lochner startet zum Kunstflug. Graf von Hagenburg ist eben gelandet!" Der "Stieglitz" wird mit Lochner gegen den Wind gestellt. Grell heult der Motor auf. Der Propellerwind wirbelt Staub rundum. Dann startet der "Stieglitz", um sofort steil emporzukurven. Begeistert schaut die Menge Lochner nach. Schon nach kurzer Zeit dreht er zur Rückenlage bei uns nähert sich mit erstaunlicher Tollkühnheit dem Boden. Kopf nach unten quer über den Platz u. die Zuschauermenge. Das verschlägt einem wahrhaft fast den Atem. Sicher und gewandt rollt Lochner den "Stieglitz" wieder ein, um diese Spezialität noch einige Male zu wiederholten. Dann klettert Lochner der Sonne entgegen und stürzt plötzlich in doppeltem Looping zur Erde nieder. Die Begeisterung der menge kennt keine Grenzen. So folgen noch einige "runde Sachen" mehr.
Da wirft einer die "Latte" an
Als Lochner nach der Landung wieder aus seiner "Kiste" gekrabbelt ist, brauchen wir kaum noch unsere ehrliche Bewunderung in Worte zu kleiden, er sieht sie uns schon an den Gesichtern an und freut sich darüber schlicht und recht.
"Was für ein Gefühl beschleicht Sie eigentlich, wenn Sie so kopferdwärts in Bodennähe gehen?" Der Gefragte sieht uns verschmitzt an und entgegnet nur: "Aufpassen!" Und nach kurzer Atempause fährt er fort: "Ich darf den Knüppel nicht um Millimeter aus der Lage bringen, sonst . . . na ja . . .!" Er bricht bescheiden ab.
Hinter uns "kotzt" inzwischen der Motor der Schulmaschine, in welcher Fluglehrer Wendel zum Kunstflug startet. Bitte - das ist Fliegersprache und heißt umschrieben übersetzt: Er will nicht recht, der Motor. Ein Monteur dreht im Schweiße seines Angesichts die "Latte" an "Aus!" und "Ein!" wechselt Ruf und Gegenruf. Als man schon fast zur "Flasche" (Preßluft) greifen will, springt er doch noch an. Wendel winkt uns munter zu und ab geht es. - Auch sein Kunstflug stellt einen Meister der Lüfte unter Beweis.
Die Kasse wird geschlossen
Ununterbrochen rollen auch während der Kunstflüge die großen Verkehrsmaschinen an und ab. Der Ansturm der Fluggäste steigert sich immer noch. Eine weitere Verkehrsmaschine muß eingesetzt werden. Die Reihen der Zuschauer füllen sich dichter und dichter auf. Unter ihnen gibt es auch edle Spender die manchem Bedürftigen stillschweigend einen Freiflug ermöglichen, indem sie für ihn das Startgeld, d. h. den Winterhilfswerkbetrag zahlen. Unter anderem verkündet plötzlich der Lautsprecher, daß die Ehringsdorfer Brauerei für acht Kinder-Freiflüge aufkomme. Meldungen an der Kasse. Da beginnt ein Wettlauf "auf Leben und Tod" und die Großen haben ihre Freude an dem Jubel der Kleinen.
Unter den unzähligen Nohra-Besuchern befindet sich u. a. auch die Gattin unseres Reichsstatthalters Gauleiter Fritz Sauckel, die fünf ihrer Kinder die ersten Wunder des Fliegens erleben läßt. Man bemerkt auch Generalarbeitsführer Schmückle und Kreisleiter Hofmann unter den Kräften.
Als aber die Kasse immer noch schwer belagert wird, obwohl die Flugplätze sämtlicher Maschinen bis zum Einbruch der Dunkelheit bollauf besetzt sind, sieht sich der Fliegerhorstkommandant Major Koerner genötigt, wohl oder übel abzustoppen.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags starten auch die Kunstflieger Lochner, Graf von Hagenburg und Wendel nochmals und steigern noch ihre erstaunlichen Leistungen des ersten Starts. Mit der hereinbrechenden Dunkelheit müssen alle Fliegerfreunden freilich ein Ende finden. Nur allmählich treten die Massen wieder den Heimweg oder die Heimfahrt an. Eine endlose Scheinwerferkette weist den Weg nach Weimar. Noch klingt in Herzen und Worten ein einzigartiges Flugerlebnis nach.

Bildunterschriften:
Das neue Gesicht einer neuen Zeit

Von links nach rechts: Alles muß vor dem Start in bester Ordnung sein - Die Kunstflieger des Tages Graf von Hagenburg, Lochner, Wendel - Mit vereinten Kräften

Seitenbild auf einen Teil der Schulmaschinen am Rande des Rollfeldes

Der Fliegerhorstkommandant Weimar-Nohra, Major Moerner, begrüßt Lochner

Eine stolze Parade, die Jung und Alt in Weimar-Nohra gestern begeisterte.

(Sämtl. Aufnahmen eigener Bilddienst: Hirche)
Quelle: Thüringer Gauzeitung (historisch) vom 20.01.1936 | Autor/in: Bruno Hans Hirche271 Mal gelesen seit 20.11.2023