Weimarerin erinnert sich an das schwere Bombardement der Stadt heute vor 65 Jahren
Weimar erlebte heute vor 65 Jahren das schwerste Bombardement im Zweiten Weltkrieg. Binnen 13 Minuten legten 481 Tonnen Bomben weite Teile der Innenstadt in Schutt und Asche. 462 Einwohner verloren ihr Leben, darunter in der Richard-Strauss-Straße 80 von 90 Kindergarten-Kindern.
WEIMAR.
"Seit dem 9.Februar 1945 bringen mich meine Füße nicht mehr in die Richard-Strauss-Straße." Das sagt Margot Köhler, die damals 19 Jahre alt war. Die junge Kindergärtnerin war an jenem Tag krank und wollte - bis auf einen Arztbesuch - bei den Großeltern in der Kaufstraße bleiben. Dort wurden sie nach dem Mittagessen vom Alarm überrascht. "Danach rummste es überall ganz doll. Wir liefen auf den Markt, dort war alles kaputt und kaum ein Durchkommen", erinnert sich Margot Köhler. Ebenso daran, dass die Sonne an dem kalten Tag etwas schien, der Himmel über Weimar aber schwarz war.
Inmitten des Durcheinanders erfuhr die junge Frau, dass auch der Kindergarten in der Richard-Strauss-Straße getroffen worden war, in dem sie einst als Praktikantin tätig war. Sie wollte helfen und lief dorthin. An der Ecke Erfurter- und Straußstraße holte sie noch einmal Luft - und das Grauen sie ein: Wie von Sinnen lieb eine Mutter mit ihrem toten Kind auf dem Arm gegen ein Fahrzeug der Wehrmacht und starb. Das Schlimmste aber stand Margot Köhler noch bevor: Niemand von den Erwachsenen konnte in das Gebäude und so stieg sie mit einer weiteren jungen Frau hinein. Als erstes entdeckte sie eine Frau und deren kleine Tochter, die sie einige Jahre zuvor in den Sommerferien versorgt hatte. Sie sprach die beiden an, berührte sie und merkte erst da, dass sie tot waren. So wie weitere 79 der 90 Kindergarten-Kinder.
Nach und nach bargen die Helferinnen die Opfer, die in einem Nachbarhaus aufgebahrt wurden. "Dort haben sich schreckliche Szenen abgespielt", sagt Margot Köhler, die nicht weiß, wie sie heute vor 65 Jahren wieder nach Hause kam.
Erst in den 1990er Jahren hat die Weimarerin, die nach 38 Jahren im Westen seit 1999 wieder hier wohnt, ihre Erinnerungen unter dem Titel "Weimar. Meine Stadt - Mein Leben" veröffentlicht. Als Ermunterung an junge Leute, "sich nicht unterkriegen zu lassen", sagt die 84-Jährige, deren Vater Wiederstand gegen die Nazis leistete und die in der DDR nicht zurechtkam. Noch heute liest sie daraus an Schulen.
Zum heutigen Tag hat zudem der Verein "Flugplatz Nohra" ein neues Internet-Angebot erstellt. Im Zentrum stehen neben Dokumenten aus der Zeit und aktuellen Einschätzungen illustrierte Tagebuchaufzeichnungen und unveröffentlichte Fotos aus dem Jahr 1946 von Fritz Kühnlenz (1906 - 1975) dem Großvater des stellvertretenden Vereinsvorsitzenden Christian Handwerck.
Susanne SEIDE
Bildunterschrift:
BOMBEN AUF WEIMAR: Noch 1946 konnte Fritz Kühnlenz die Zerstörungen festhalten. Margot Köhler, hier 1942, sagt: "Krieg hat noch nie ein Problem gelöst."